Bloß `ne Katze – Karin Klasen
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 02. April 2021 11:48
- Geschrieben von Super User
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Leseprobe:
Titel: Bloß `ne Katze – dass ich nicht lache!
Autor: Karin Klasen Neuerscheinung: März 2021
Lektorat: Nina Sock Covermotive: Pixabay Covergestaltung: Michael Frädrich Printed: BoD GmbH, Norderstedt
© Edition Paashaas Verlag, Hattingen www.verlag–epv.de
Printausgabe: ISBN: 978-3-96174-080-2
Kuscheldiekatz
Ich gebe niemals auf, immer finde ich einen Weg aus irgendwelchem Schlamassel. Dass ich nun auch einen zu “Der mit den schönsten Augen“ finden werde, liegt ja wohl auf der Pfote. Querfeldein werde ich mich durchs dichte Unterholz schlagen. Das ist keine schlafblöde Absicht, nein, denn in freier Wildbahn bin ich nicht zu toppen, das spüre ich. Dort kann ich auch gleich für meine Verpflegung sorgen. Außerdem umgehe ich die umherlaufenden Zweibeiner, die wie keuchende Jagdhunde mit langen Stöcken durch den Wald pflügen. Ideen haben die. Ganz ehrlich, ich bin erleichtert, ein so schnittiges Kerlchen zu sein. Ziemlich wild, zugegeben, aber so was, ne! Mein Temperament kann ganz schön heftig sein. Wenn es mit mir durchgeht, hab‘ ich echt zu tun, um Herr darüber zu bleiben.
Wenn jedoch die saftigen Happen auf dem Waldboden um ihr Leben flitzen, ist es wiederum praktisch. “Mause schmausen“, da steckt die Leckerei schon im Wort. Solch eine warme Delikatesse ist nicht zu verachten.
Am nächsten Morgen, als der Dunst sich zu heben beginnt, ist es nahezu windstill. Die ganze Nacht hindurch haben sich meine Gedanken die Eroberung “Der mit den schönsten Augen“ vorgestellt, haben träumerisch fellnah ermittelt. Obwohl ich mich so schnell nicht einschüchtern lasse, bin ich nervös. Die Unsicherheit, ob mein Rendezvous auch tatsächlich zustande kommt, hat letztlich an meinen Nerven gezerrt. Glücklicherweise kann ich einiges wegstecken und so mache ich mich elanvoll auf die Suche. Abwarten ist nicht gerade meine Wesensart. Richtig gesellig war ich nur als junger Wildfang. Später entwickelte ich mich zum Einzelgänger, aber das scheint sich nun wieder geändert zu haben. Dort, wo die Häuser wie reife Beeren am Hang kleben, vermute ich meine Schöne. Irgendwie passt diese Gegend zu ihr, finde ich. Mit genüsslich verdrehten Augen schubbere ich mein Fell an einem Baumstamm, lege eine kurze Verschnaufpause ein, jage hinterher ein bisschen was Graues – und ich zäher Hund, quatsch, zäher Bursche, bin wieder fit.
Unverdrossen patrouilliere ich in einem beschwerlichen Pfoten-Marsch das weit verzweigte System moosiger Pfade. Hin und wieder scheint es mir, als verlöre sich ein Pfad in den Wolken. Dann lege ich ein klitzekleines Nickerchen ein. Als die Sonne vom Horizont halbiert wird, mache ich mich frisch und munter wieder auf den Weg. Merkwürdige Schreie gellen durch die hereinbrechende Dunkelheit. Ich habe jedoch keine Angst vor dem, was möglicherweise im Verborgenen lauert. Geheime Wege schlängeln sich in der neblig werdenden Wald-Speisekammer zunächst steil aufwärts, dann wieder bergab. Ich meistere sie alle! Mit schlafwandlerischer Sicherheit finde ich meinen Weg durch die Nacht, den nächtlichen Eulen-Spion nicht weiter beachtend. Für den kleinen Hunger zwischendurch huscht genug über die Walderde. Alles schmeckt so lecker, wie es zuvor geduftet hat. Von den Gefahren, die überall lauern könnten, lasse ich mich nicht einschüchtern. Was die können, kann ich schon längst. Ich werde mich, sollte es nötig sein, strategisch geschickt zur Wehr setzen, wäre ja gelacht. Hauptsache, ich finde “Die mit den schönsten Augen“. Aber erst einmal werde ich, Leonardo, eins mit der Nacht.
Der folgende Morgen zeigt sich in seiner ganzen Pracht. Wattige Wolken plustern sich auf. Verschwenderisch kleckert die Sonne ihr Gefunkel auf die Erde. Spatzengroße Vögel jagen Insekten. Im geschützten Lebensraum der Büsche und Hecken der ausgedehnten Wiesenlandschaft ziehen sie ihre Jungen groß. Von ihrer erhöhten Sitzwarte aus überblicken die Piepmätze ihr Revier und sind sicher, mir, dem umherstreifenden Kater, entwischen zu können. Ungebetene Gäste mögen sie gar nicht. Eine Herde wilder Ziegen genießt die frischen Kräuter.
Längst bin ich auf den Pfoten. Ich stecke voller Energie und die muss irgendwie raus, ob ich will oder nicht. Also gehorche ich, der allseits Furchtlose, meiner Neugier und streife durch die Straßen des Ortes, der auf meiner Route liegt. Hier wimmelt es von den lästigen motorisierten Quälgeistern, die ich sonst zu umgehen versuchen würde. Im Schlaraffenland der gelben Knistersäcke hoffe ich auf leichte Beute. Warum nicht das Angenehme mit dem Unangenehmen verbinden? In einer offenstehenden Mülltonne finde ich ein paar Häppchen, die vorzüglich schmecken. Selbstredend, dass ich mich nicht erwischen lasse, schließlich würden die Zweibeiner einen Riesenaufstand machen und mich verjagen. Da lege ich mich doch lieber unter den hellen Lieferwagen, der scheinbar abwartend hinter einem Mauervorsprung steht und an dem es angenehm warm ist. Doch etwas stimmt hier nicht. Das spüre ich genau. Es ist die Angst, die förmlich aus dem Wagen stinkt.
Argwöhnisch hebe ich den Kopf. Schon ergreifen mich grobe Hände, die mich genau dort hineinstecken wollen. Aus Leibeskräften wehre ich mich, fauche, knurre, beiße und winde mich derart, bis ich wieder zu Boden falle. Andere Hände treiben ihr Unwesen, kommen den ersteren zu Hilfe und versuchen mir etwas Spitzes in den Körper zu jagen. Nur mit knapper Not gelingt es mir, als tapferer Kater, zu entkommen. Ich habe nicht nur ein ausgezeichnetes Gehör und scharfe Augen, sondern auch ein feines Gespür. Wer oder was die Angst im Wagen verströmt, weiß ich allerdings nicht. Aber eines ist klar: Diese Lektion werde ich so schnell nicht wieder vergessen.
In den folgenden Stunden bin ich unterwegs, um möglichst schnell zurück in den Wald zu flüchten und dort Deckung zu finden. Über eine Stunde tapse ich über loses Geröll und fühle mich gar nicht gut. Aber was soll ich machen, einfach stehenbleiben wäre auch blöd. Endlich finde ich ein ruhiges Plätzchen, ähnlich meiner Junggesellenbude auf dem Hof der Eintausend Katzen. Hier rolle ich mich zusammen, um ein ausgiebiges Päuschen einzulegen. Die farbenfroh gekleidete Spezies der Zweibeiner hat Katze sei Dank in diesem entlegenen Winkel des Waldes nichts verloren. Das Gezeter aus den dichten Baumkronen kann mich nicht mal ansatzweise am Schlafen hindern.
Es ist kein gutes Zeichen, dass der weithin sichtbare Berg eine flauschige Wolkenmütze trägt. Wenig später strömt der Regen wie ein lebendiger Vorhang. Das stark verzweigte Wurzelwerk
der Bäume an der Erdoberfläche lässt das Wasser nicht so schnell versickern, wie Tropfennachschub fällt. Zahlreiche Rinnsale schlängeln über die Erde, wo zuvor keine waren und verwandeln den Waldboden in einen schlammbraunen Morast. Der ist nun in zähflüssiger Form in Bewegung, eine sumpfige Angelegenheit. Das monotone Rauschen lässt meine Pfoten im Schlaf zucken, als wollte ich davonlaufen. Hey, Leonardo, Zeit aufzustehen!